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Maisenbacher Diamonds
B.V.B.A.
B-2018 Antwerpen

 
Historische Diamanten
- Ein Beispiel der Bedeutung -


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ei dem an dieser Stelle angeführten Beispiel für die Bedeutung der Diamanten als Zeichen der Würde der Herrschaftshäuser entbehrt es nicht der Ironie, daß gerade das aus Hunderten von Edelsteinen bestehende Schmuckstück, das enger als jedes andere mit dem Schicksal eines Königshauses verknüpft ist, nie in Herrscherhände gelangte. Statt dessen wurden - in der berühmt gewordenen sogenannten "Halsbandaffäre" - der französische König Ludwig XVI. und seine leichtsinnige Frau Marie Antoinette unglückliche Opfer eines dreisten Betrugs, dessen unheilvolle Folgen ihren Weg zur Guillotine beschleunigten.

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ie raffinierte Intrige begann durchaus harmlos in der Regierungszeit Ludwigs XV., als die Hofjuweliere Charles-Auguste Boehmer und Paul Bassenge den Entschluß faßten, ein Diamantcollier anzufertigen, wie es die Welt noch nicht gesehen hatte. Der König, dessen waren sie sich absolut sicher, würde nur allzu gern bereit sein, die Kette für seine Mätresse Madame Dubarry zu erwerben.

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it diesem Ziel vor Augen verwendeten die Juweliere mehrere Jahre darauf, einige der feinsten Diamanten der Welt zusammenzukaufen und ihr Meisterwerk zu entwerfen und auszuführen. Um das Projekt zu finanzieren, mußten sie sich hoch verschulden und sogar ihre Häuser und Werkstätten mit Hypotheken belasten. Im Jahre 1774, als das Werk seiner Vollendung entgegenging, durchkreuzte der plötzliche Tod des Königs jäh ihre Pläne.

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oehmer und Bassenge hatten jetzt eine prachtvolle Halskette mit 647 sorgfältigst aufeinander abgestimmten Diamanten ersten Wassers - und keinen Käufer dafür. Natürlich setzten die Juweliere nun alle ihre Hoffnungen auf den 24jährigen Ludwig XVI. und seine 23jährige Königin. Der König war auch wirklich hingerissen von der Kette und wollte sie unbedingt als Geschenk für Marie Antoinette erwerben, die ihm gerade ein Kind geboren hatte. Ein passendes Präsent, hätte man meinen können, für eine Dame, deren Hang zu amourösen Extravaganzen zum Gesprächsthema des ganzen Kontinents geworden war. Doch mit einer Selbstlosigkeit, die man ihr gar nicht zugetraut hätte, wies die Königin die Kette zurück und schlug (so behaupteten jedenfalls später ihre Parteigänger) dem König vor, er solle das Geld lieber für ein neues Kriegsschiff ausgeben.

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ahrelang ließen Boehmer und Bassenge nichts unversucht, um Marie Antoinette doch noch umzustimmen. Einmal fiel Boehmer weinend vor der Königin auf die Knie. "Madame', rief er, ich bin ruiniert, bankrott, entehrt, wenn Sie weiterhin die Kette zurückweisen. Ich gehe von hier aus geradewegs zum Fluß und ertränke mich!" Als Marie Antoinette durchblicken ließ, daß sie dies für keine schlechte Idee halte, gab Boehmer auf. Die Kette blieb unverkauft.

S
o war es nur zu verständlich, daß die verzweifelten Juweliere überglücklich waren, als sie im Jahre 1785 einen vielversprechenden Brief von einer gewissen Jeanne de Saint-Rémy de Valois de La Motte erhielten, die erst kurz zuvor in der Pariser Gesellschaft aufgetaucht war, aber gerüchteweise schon als Vertraute der Königin bezeichnet wurde. Madame de La Motte ließ die beiden Herren wissen, ein grand seigneur des Reiches sei am Erwerb der Halskette interessiert und werde sich in Kürze bei ihnen melden.

I
n Wirklichkeit war die junge und reizvoll gebaute Madame de La Motte im Begriff, einen ebenso dreisten wie raffiniert eingefädelten Schwindel von historischen Dimensionen zu inszenieren. Als verwaiste Tochter eines heruntergekommenen Barons, der in einem Pariser Armenhaus gestorben war, hatte Jeanne als Bettlerin in den Straßen von Paris und später als unfreiwilliger Zögling eines Internats in Passy einen stahlharten Überlebenswillen entwickelt. Sie war, nach den Worten eines Zeitgenossen, "eine ehrgeizige Person ohne jede Prinzipien, die bei der Verfolgung ihrer Ziele vor nichts haltmachte; unversehens in diese Ansammlung von Schranzen und Speichelleckern, Tagedieben und Intriganten geraten, erwies sie sich als Musterschülerin in der Versailler Schule des Lasters".

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er hohe Herr, mit dem sie die Juweliere zusammenbringen wollte, war kein Geringerer als Louis Rend Edouard de Rohan, Prinz und Kardinal, der bei Marie Antoinette in Ungnade gefallen war und verzweifelt versuchte, die Gunst der Königin zurückzugewinnen. Die hübsche Jeanne hatte, offenbar mit Zustimmung ihres nichtsnutzigen Mannes, den Kardinal verführt, und zwar in mehrfacher Hinsicht. Während sie mit ihm das Bett teilte, hatte sie ihn nach Kräften zu überzeugen versucht, sie sei eine enge Freundin der Königin und könne sich bei ihr für seine Rehabilitierung verwenden.

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r glaubte ihr, und sie besiegelte sein Schicksal mit einem Gaunerstück von unglaublicher Unverfrorenheit. In der Pariser Unterwelt machte sie mit Hilfe ihres Mannes eine Prostituierte ausfindig, die Marie Antoinette ähnlich sah, und engagierte sie zu dem Zweck, "der Königin einen kleinen Gefallen zu tun". Die Frau erklärte sich bereit, mit den de La Mottes nach Versailles zu fahren, ein Kleid anzuziehen, das sie ihr besorgen würden, und sich mit verschleiertem Gesicht in einem Park hinter dem Palast aufzustellen. So ausgerüstet, würde sie auf einen "Mann von sehr hohem Range" warten - keinen anderen als Kardinal de Rohan, der vor Freude außer sich war, als Jeanne ihm sagte, Marie Antoinette habe sich zu einer geheimen Zusammenkunft im Schutz der Dunkelheit bereit erklärt.

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ie Begegnung dauerte nur ein paar Augenblicke. Die falsche Königin überreichte Rohan einfach eine Rose und sprach dazu die rätselhaften Worte: "Sie wissen, was das bedeutet." Als der Prinz-Kardinal sich ihr daraufhin zu Füßen warf, verschwand sie eilig in der Dunkelheit.

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ls Jeanne de La Motte den Kardinal kurze Zeit später fragte, ob er beim Kauf der fabelhaften Halskette der Herren Boehmer und Bassenge für die Königin als Mittelsmann fungieren wolle, stimmte der betörte Rohan begeistert zu.

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er Kardinal erwies sich als guter Geschäftsmann; er handelte bei den Juwelieren nicht nur einen kleinen Preisnachlaß - auf 1 600 000 Livres - aus, sondern brachte sie auch dazu, ihm die Kette schon volle sechs Monate vor der Fälligkeit der ersten Rate zu übergeben. Der Kardinal seinerseits händigte die Diamanten unverzüglich Madame de La Motte aus, damit diese sie - wie er meinte - seiner teuren Marie Antoinette überbringen konnte.

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eanne und ihr Mann gingen sofort daran, die Kette auseinanderzunehmen und die Beute zu teilen. Während er so klug war, sich nach London abzusetzen, blieb Jeanne, leichtsinnig wie sie war, in Paris. Sie ließ einige der Diamanten in Armbänder, Anhänger und Ringe zum eigenen Gebrauch einsetzen, kaufte sich vom Erlös der übrigen Steine kostspielige Kleider und teure Einrichtungsgegenstände für ein neues Haus, sammelte erlesenes mechanisches Spielzeug und leistete sich eine Kutsche, die auch der Königin Ehre gemacht hätte.

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nterdessen wartete Kardinal de Rohan vergeblich darauf, daß Marie Antoinette ihm durch irgendeine öffentliche Geste ihre Dankbarkeit bezeigen möge. Noch mehr aber bedrückte ihn, daß die Juweliere schon bald ihr Geld wollten. Obwohl Jeanne de La Motte alle Hebel in Bewegung setzte, um den Tag der Abrechnung hinauszuschieben, begab sich Boehmer schließlich zu Marie Antoinette, um von ihr die Bezahlung zu fordern.

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amit war der Schwindel aufgeflogen, und Ludwig XVI. war, wie er in einem Brief schrieb, "voller berechtigtem Zorn über so unerhörte Dreistigkeit, solch einen tollkühnen Versuch, mit einem erhabenen Namen Schindluder zu treiben, eine so flagrante Mißachtung des Respekts, den jedermann der königlichen Majestät schuldig ist". Obwohl es durchaus in seiner Macht gestanden hätte, den Skandal zu vertuschen und die Schuldigen persönlich zur Rechenschaft zu ziehen, gestand der König Jeanne und Rohan eine öffentliche Gerichtsverhandlung zu.

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as war ein Fehler. Jeanne de La Motte nutzte die Gelegenheit eines öffentlichen Auftritts, um einen Schwall verleumderischer Behauptungen loszulassen und während des ganzen Prozesses zu beteuern, sie sei das Opfer einer habgierigen und undankbaren Königin geworden. Die Stimmung im Lande war so, daß viele ihr glaubten. Das Volk murrte schon seit langem über das korrupte Regime und die Königin, die als "Dirne von Versailles" verschrien war.

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l in das Feuer, das eines Tages Marie Antoinette verschlingen sollte, waren die Worte von Rohans Richtern. Der Kardinal war der Majestätsbeleidigung angeklagt worden, weil er angenommen hatte, die Königin von Frankreich würde sich mit ihm zu einem nächtlichen Rendezvous in den Gärten von Versailles verabreden. Dagegen die Richter: "Wir können an dieser Annahme des Kardinals de Rohan nichts Strafwürdiges finden. In Anbetracht Ihrer Allerchristlichsten Majestät Reputation für Frivolität und Unbesonnenheit und angesichts ihrer zahlreichen männlichen und weiblichen Günstlinge von zweifelhafter Reputation halten wir es für durchaus plausibel, daß der Kardinal sich einer solchen Vermutung hingab."

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eanne de La Motte jedoch wurde verurteilt: Sie sei "auszupeitschen, nackt, und mit Stöcken zu schlagen"; außerdem sei sie an der Schulter mit dem Buchstaben V (für voleuse, Diebin) zu brandmarken und für den Rest ihres Lebens in die Besserungsanstalt in Salpêtrière einzuweisen. Schon nach einem Jahr verhalfen jedoch unbekannte Gönner Jeanne de La Motte zur Flucht. Sie floh nach London, wo ihr undankbarer Mann jedoch nichts mehr von ihr und ihren Machenschaften wissen wollte. Vier Jahre später fand Madame de La Motte den Tod, als sie - nicht ohne fremdes Zutun, wie manche behaupteten - aus dem dritten Stock eines Londoner Gebäudes stürzte.

L
udwig XVI. und Marie Antoinette erholten sich nie mehr von den Folgen des Skandals, dessen ahnungslose und unschuldige Opfer sie waren. Und obwohl das Volk von Paris zweifellos in jedem Fall auf die Barrikaden gestiegen wäre, wurde der Gang der revolutionären Ereignisse sicherlich durch Jeanne de La Mottes großen Schwindel beschleunigt. So bezeichnete denn auch kein Geringerer als Honoré Gabriel de Mirabeau, selbst ein Herold der Auflehnung, die Halsbandaffäre als "ein Vorspiel zur Revolution".

Vielleicht mit Ausnahme von 22 Steinen, die später in einer Halskette im Besitz des Herzogs von Sutherland auftauchten und möglicherweise aus der Halskette der Königin stammten, blieben die Diamanten, die so liebevoll von den beiden französischen Juwelieren zusammengetragen worden waren, für immer verschwunden. Man hat jedoch geschätzt, daß die spektakuläre Sammlung heute mindestens acht Millionen Dollar erzielen würde. Ein solcher Preis fände freilich seine Rechtfertigung nicht allein im tatsächlichen, materiellen Wert der Steine, sondern auch in den Geschichten und Gerüchten, die sie umgeben.

aus: "Der Planet Erde - Edelsteine", Paul O'Neil, Time-Life Bücher, Amsterdam, 1984