Historische Diamantgewinnung am Big Hole / Kimberley

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In den Anfängen der Diamantsuche schürften die Männer in den Flüssen und Bächen. Dort waren die ersten Steine immer aufgetaucht. Erst durch Zufall kam man dem wahren Ursprung dieser Kostbarkeiten auf die Spur.

Ungefähr zu der Zeit, als noch alle neuen Schatzsucher sich den Scharen der alten Prospektoren anschlossen und an den Ufern des Vaal und Oranje Schlamm siebten, fand ein Mann, von dem nur der Name Bam überliefert ist, 100 Kilometer entfernt von der nächsten Schürfstätte am Fluß, einen weiteren Diamanten. Aus Erfahrung wußten die Prospektoren - von denen einige Veteranen des kalifornischen Goldrausches waren -, daß Kostbarkeiten wie Gold und Edelsteine in Flußbetten zu finden waren. Erst später setzte sich die Erkenntnis durch, daß die Steine nicht an den Flußufern entstanden, sondern vorn Wasser dorthin transportiert worden waren. Bams Entdeckung war also keineswegs eine kuriose Ausnahme, sondern vielmehr ein wichtiger Schritt zur Auffindung der Primär-Lagerstätten aller südafrikanischen Diamanten.

Diejenigen, die Bams Hinweis folgten und sich tiefer ins Land hinein begaben, um dort zu schürfen, blieben eine Zeitlang so gut wie allein. Als dann jedoch in diesen Gegenden immer mehr Steine gefunden wurden, erhielten auch die anderen Prospektoren rasch Kenntnis davon und strömten in hellen Scharen in das Gebiet. Die Schatzsucher wußten aber immer noch nicht, daß sie jetzt ganz in der Nähe des Gebiets schürften, in dem viele der Diamanten, die längs des Oranje und Vaal gefunden wurden, wahrscheinlich zum erstenmal an die Erdoberfläche gekommen waren.

Im Jahre 1871 steckte ein Mann namens Fleetwood Rawstorne einen Claim auf einer Farm in diesem vielversprechenden, im Landesinnern gelegenen Gebiet ab, zwischen Oranje und Vaal und östlich ihres Zusammenflusses. Rawstorne hatte kein Glück. Er verspielte seinen ersten Claim und fand später auf einem zweiten kaum mehr als einzelne zweikarätige Diamanten. Die beiden Brüder, denen die Farm gehörte, waren ebenfalls Pechvögel, aber aus ganz anderen Gründen. Als Buren - Nachfahren der ersten holländischen Siedler in Südafrika - interessierten sie sich überhaupt nicht für Edelsteine und waren entsetzt über die Prospektoren, die in Schwärmen einfielen und in ihrer fieberhaften Suche nach Diamanten die Erde aufwühlten. Um sich in dieser hoffnungslosen Lage einigermaßen schadlos zu halten, verkauften die Brüder die Farm (die sie elf Jahre zuvor für 50 Pfund erworben hatten) für 6300 Pfund an eine Minengesellschaft und zogen weiter, um anderswo Ruhe und Frieden zu finden. Damit verzichteten Johannes und Diedrich de Beer unwissentlich auf zwei sagenhaft reiche Diamantenlagerstätten, von denen eine - diejenige, an der Fleetwood Rawstorne seine kärglichen Funde gemacht hatte - die berühmte Kimberley-Mine werden sollte; genausowenig ahnten sie, daß ihr Familienname weltberühmt werden sollte.

Ungefähr zu dieser Zeit auch trat ein neuer, für die Zukunft der Diamanten außerordentlich wichtiger Mensch in das Geschehen ein: Cecil Rhodes. Aus England kommend suchte dieser damals 18 jährige seinen hier schürfenden Bruder auf, um es ihm gleichzutun; bewirkte aber weit mehr als jeder andere vor und nach ihm. Er schuf die Voraussetzungen und legte das Fundament für den Erfolg des Unternehmens, das heute weltweit jeder in Verbindung mit Diamanten nennt: De Beers. Aber dazu später in den Abschnitten "Der Diamanthandel" mehr.

Die Diamantensucher, die von den Schürfstellen an den Ufern des Oranje und des Vaal abwanderten, steckten ihre Claims ab und begannen auf ganz ähnliche Weise zu schürfen wie an den Flüssen. Der Hauptunterschied war, daß es hier kein Wasser zum Auswaschen der Erde aus dem Kies gab. Die Minen in diesem Gebiet wurden deshalb als dry diggings (trockene Schürfstellen) bezeichnet. Wie Cecil Rhodes später einmal bemerkte, sahen die Minen auf den ersten Blick aus "wie zahllose Ameisenhaufen, auf denen es von schwarzen Ameisen wimmelte, nur daß die Ameisen Menschen waren".

Die Arbeits- und Lebensbedingungen in dem neu entstandenen Ort Kimberley und seiner Umgebung waren noch chaotischer und primitiver als in den Camps an den Flüssen. Ein staubiges Durcheinander von Zelten und Wellblechhütten beherbergte Konzessionsbüros, Gesetzesvertretungen, Banken, Diamantenläden, Kneipen, Bordelle, Spielhöllen und die eine oder andere Kirche. Das bunt zusammengewürfelte Volk der Diamantensucher war ständig in Bewegung, denn jeder sagte sich, daß ihn schon fünf Minuten Nichtstun um einen wertvollen Stein bringen konnten. Lebensmittel und Feuerholz wurden von den umliegenden Farmen geliefert, aber Industrieprodukte mußten mit Pferdewagen von der Küste über Land transportiert werden.

Zu Beginn der Schürfarbeiten in der Kimberley-Pipe hatten die vielen hundert einzelnen Prospektoren insoweit zusammengearbeitet, als sie an den Rändern ihrer Schächte die Erde unangetastet ließen. So war dafür gesorgt, daß die einzelnen Schächte voneinander getrennt blieben und zwischen ihnen Erdmauern stehenblieben, auf denen man sich fortbewegen konnte. Es war vereinbart, daß diese Zwischenwände jeweils erst dann abgebaut und ausgebeutet werden sollten, wenn es nötig wurde, die Straßen insgesamt tiefer zu legen.

Es stellte sich aber heraus, daß die einzelnen Minenbesitzer ihre Schächte unterschiedlich schnell in die Tiefe trieben, so daß der richtige Zeitpunkt zum Einreißen der Zwischenwände oft verpaßt wurde. Die Zwischenwände bröckelten daher oft ab und stürzten in die Schächte, wobei sie manchmal auch Arbeiter unter sich begruben. Nach einer Besichtigung der Kimberley-Pipe schrieb der englische Schriftsteller Anthony Trollope, es sei, "als hätte ein Architekt von diabolischem Genie ein Haus mit 500 Zimmern entworfen, von denen keines im gleichen Geschoß sein sollte wie ein anderes und die weder durch Treppen zugänglich noch mit Türen oder Fenstern versehen sein sollten".

Hinzu kam, daß die Oberfläche der Mine bei allen Höhenunterschieden zwischen den einzelnen Schächten sich insgesamt immer weiter absenkte. Die in das tiefer werdende Loch hinunterführenden Straßen, selbst solche, die breit und gut befestigt waren, wurden für einen sicheren Transport zu steil. So sah man sich schon bald gezwungen, Drahtseile vom Rand des Loches in jeden einzelnen Schacht hinunter zu legen; an diesen Drahtseilen liefen offene Fahrkörbe, in denen die Arbeiter und der Kimberlit transportiert wurden. Es dauerte nicht lange, und die ganze Pipe war von einem chaotischen Gewirr kreuz und quer verlaufender, rostender Kabel durchzogen, die einander im Weg waren. Außerdem hatten die Minenbesitzer mit schweren Überschwemmungen zu kämpfen, die durch die zwar seltenen, dann aber um so heftigeren Regenfälle und durch einsickerndes Grundwasser verursacht wurden.

Trotz der gewaltigen Mengen von Diamanten, die aus Südafrika auf den Weltmarkt gelangten - von 1872 bis 1874 waren es über eine Million Karat -, blieben die Preise eine Zeitlang stabil. Eine weltweite Finanzkrise im Jahre 1873 löste jedoch einen zwar langsamen, aber stetigen Preisverfall bei Diamanten aus, und dies ausgerechnet zu einer Zeit, als die Gewinnung der Edelsteine für die Minenbesitzer immer schwieriger und kostspieliger wurde. Die ersten Prospektoren in Kimberley fanden ihre Steine im yellow ground, verwittertem Gestein, das später den Namen Kimberlit erhielt. Als sie jedoch den unteren Rand des weichen yellow ground erreichten und auf den darunterliegenden blue ground stießen, glaubten viele, ihre Minen seien erschöpft. Rhodes hingegen, der sich von den wenigen Geologen in Südafrika beraten ließ, neigte zu der Vermutung, daß der blue ground genauso reich an Diamanten sein müsse wie der yellow ground.

Wie sich bald herausstellen sollte, hatte er damit recht, und die Geologen fanden auch die Erklärung dafür. Der yellow ground war tatsächlich nur die oberste Schicht des diamantführenden Gesteins in den tiefen, trichterförmigen Pipes, die durch vulkanische Tätigkeit entstanden waren. Beim blue ground handelte es sich einfach um Kimberlit, der noch nicht durch Verwitterung zerkleinert oder verfärbt war.
Rhodes erkannte auch, daß die hier entstandenen Minen, die Kimberley-, die De-Beers- und andere Pipes, nicht auf unbegrenzte Zeit von der Erdoberfläche aus, also im Tagebau, ausgebeutet werden konnten. Und so kam es, daß man kurze Zeit später zum Untertagebau überging.

Von 1871 bis 1908 wurde die Kimberley-Pipe ohne jede Maschine abgebaut; nachdem man zum Untertagebau übergegangen war, wurde sie 1914 wegen zu geringer Ergiebigkeit stillgelegt. In dieser Zeit war das größte je von Menschenhand gegrabene Loch entstanden: Das "Big Hole" hat an der Oberfläche einen Durchmesser von 460 m und eine Schachttiefe von 1070 m, und ist heute bis zur Hälfte mit Wasser gefüllt. Hier wurden insgesamt 14,5 Mio. Karat Diamanten gefördert; das entspricht einem Gewicht von 2900 kg.

 


The Big Hole in Kimberley

Das Fördergut mußte mit Seilsystemen nach oben befördert werden

Am Rand standen riesige Winden

heute ist nur noch ein riesiges Loch übriggeblieben

Ein 1070 m tiefer Krater, zur Hälfte mit Wasser gefüllt