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by
Maisenbacher Diamonds
B.V.B.A.
B-2018
Antwerpen
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Neben
dem berühmten Pfauenthron erbeutete Schah Nadir auch einen
riesigen Diamanten, den Tavernier offenbar nicht zu Gesicht bekommen
hatte, obwohl er zweifellos Aurangseb gehört haben mußte.
Hätte er ihn gesehen, wäre er sicherlich außer sich
geraten; allerdings kaum wegen der Schönheit des Steines, denn
er besitzt nicht das Feuer eines wahrhaft großen Diamanten,
als vielmehr wegen seiner langen und blutbesudelten Geschichte.
Zwar sind viele Einzelheiten nicht überliefert,
aber es ist durchaus möglich, daß es sich bei diesem
Stein um den ältesten bekannten Diamanten handelt. Er wurde
vor mehr als 5000 Jahren gefunden, in einem alten Sanskrit-Epos,
dem Mahabharata, erwähnt und im Jahre 1304 von Sultan Ala-ad-Din,
dem Radscha von Malwa, geraubt. Er fiel Babur, dem ersten Großmogul,
in die Hände, als dieser 1526 von Afghanistan her in Indien
einfiel. "Er ist so wertvoll", notierte Babur in seinem Tagebuch,
"daß man daraus die Hälfte der täglichen Lebenshaltungskosten
der ganzen Welt bestreiten könnte."
Baburs Nachkomme, der grimmige Aurangseb, hütete
den großen Diamanten wie seinen Augapfel und reichte ihn weiter
an seine Erben. Aurangsebs Urenkel Mohammed war jedoch längst
kein so furchteinflößender und mächtiger Herrscher
mehr wie sein Urgroßvater.
Als der persische Eroberer Nadir von dem Stein
hörte, beschloß er natürlich, ihn in seinen Besitz
zu bringen. Doch obwohl er überall danach suchen ließ,
war der Stein nicht zu finden, bis eine Frau aus dem Harem des indischen
Moguls verriet, daß Mohammed den Stein in seinem Turban versteckt
trug.
Das war mißlich. Nadir hätte sich
zwar ohne weiteres des Turbans bemächtigen oder Mohammed gleich
den Kopf abschlagen lassen können, aber ein solcher grausamer
Akt hätte nicht mit seinen Plänen in Einklang gestanden.
Selbst von niederer Geburt, hatte er beschlossen, das Ansehen seiner
Familie zu mehren, indem er einen seiner Söhne mit Mohammeds
Tochter vermählte. Den künftigen Schwiegervater seines
Sohnes zu ermorden, hätte jedoch eindeutig gegen die Etikette
verstoßen, auch wenn man in diesen Dingen damals keineswegs
zimperlich war. Nadir mußte also eine List ersinnen.
Ein großes Staatsbankett brachte die Gelegenheit.
Nadir hielt eine überschwengliche Lobrede auf Mohammed und
schlug ihm anschließend vor, sie sollten zum Zeichen der Freundschaft
und gegenseitiger Achtung ihre Turbane tauschen. Eine Weigerung
wäre nach den herrschenden Sitten und Gebräuchen unmöglich
gewesen, und so fand der Tausch statt. Als er wieder in seiner Residenz
war, wickelte Nadir Mohammeds Turban auf, und heraus fiel der Diamant.
"Koh-i-Noor!" rief Nadir aus ("Berg des Lichts!"). Und "Koh-i-Noor"
ist seither der Name dieses Diamanten. Nadir konnte sich allerdings
nicht lange an ihm erfreuen. Er wurde von einem seiner eigenen Höflinge
ermordet, und der Koh-i-Noor wechselte in der Folgezeit noch häufig
den Besitzer, zu denen manch ein satanischer Sultan oder verwegener
Abenteurer zählten. Dabei ging es fast nie ohne Blutvergießen
ab. Ein Besitzer des Steines sollte beispielsweise einmal - allerdings
erfolglos - dadurch "überredet" werden, das Versteck des Diamanten
preiszugeben, daß man seinen Kopf mit einer Schale aus Gips
umgab und in diese siedendes Öl goß. Ein anderer wurde
von seinem eigenen Bruder geblendet und eingekerkert, doch dieser
wurde seinerseits von einem dritten Bruder geblendet und in die
Verbannung geschickt, und dies alles aus Begehrlichkeit nach dem
Koh-i-Noor.
Im Jahre 1813 befand sich der Koh-i-Noor wieder
in Indien, diesmal in Händen eines gewissen Randschit Singh,
auch bekannt als "Löwe des Pandschab", der um den Besitz des
Steines einen Krieg geführt hatte und ihn bis zu seinem Tod
im Jahre 1839 behielt. Zehn Jahre später, nach der Eroberung
des Pandschab-Gebiets durch die Briten, fanden Kolonialbeamte den
Koh-i-Noor im Schatzhaus der Stadt Lahore. Sie konfiszierten den
Stein (und alles andere, was sie in der Schatzkammer vorfanden)
als Entschädigung für den Aufwand, den der Kampf gegen
eine Armee von Sikhs verursacht hatte, die mit den britischen Herrschaftsansprüchen
in Indien nicht einverstanden waren.
Was dann zunächst mit dem Koh-i-Noor geschah,
pflegte Sir John Lawrence, der spätere Generalgouverneur von
Indien, mit einem Schmunzeln seinen Freunden zu ihrem und seinem
Vergnügen zu erzählen: "Yes, Gentlemen, das war so! Als
blutjunger Offizier wurde ich als Unterhändler zu den Sikhs
geschickt, die mir den Stein in einer einfachen, zerbeulten Blechschachtel
überreichten, welche ich gleichgültig und achtlos in die
Tasche steckte. Ich sah in der Überreichung des Steines eine
höfliche Geste. Von dem Aberglauben, der um ihn rankte, hielt
ich sowieso nichts. Nonsens, Märchen! Ich dachte nicht mehr
an den Stein. Nach Wochen kam aus London die Anfrage, ob ich eine
Ahnung vom Verbleib des Steins hätte. Hatte ich nicht. Daher
schrieb ich zurück: Nein!
Schon kam der zweite Brief, dringlicher: Damned!
Die East Indian Company, in deren Dienst ich stand, wollte den wertvollen
Stein der Queen zum Geschenk machen. Doch wo war er? Nach einigem
Nachdenken fiel mir ein, was ich völlig vergessen hatte. Da
war doch diese komische Blechschachtel, die irgendeine Sache enthielt,
die mit der indischen Mythologie zusammenhing. Aber wo war die Blechschachtel?
Beim besten Willen konnte ich mich nicht erinnern, also rief ich
meinen Boy Number One und gab ihm den Auftrag zu suchen. Natürlich
ließ sich der Bursche Zeit. Da kam schon das dritte Schreiben
aus London, diesmal vom Premierminister Lord Palmerston persönlich
unterschrieben: Wo bleibt der Koh-i-Noor? Jetzt wurde es ernst!
Ich durchsuchte selbst alle meine Anzüge, das ganze Haus, aber
nichts war zu finden. Mein Boy Number One, in die Enge getrieben,
erinnerte sich schließlich an ein "Stück Glas" in einer
alten Blechdose. - Du hast das Glas doch nicht weggeworfen? - stöhnte
ich. Gekränkt erwiderte er: Ich werfe nie etwas weg! und führte
mich in einen Schuppen, wo er eine Kiste mit Werkzeug aufbewahrte.
Aus dem Tohuwabohu von Zangen, Hämmern, Nägeln etc. zog
er nach langem Suchen mit triumphierendem Grinsen die alte verbeulte
Blechschachtel heraus. Ich riß den Deckel ab und atmete auf.
Nicht einmal eingewickelt, lag da der berühmteste Stein Indiens,
der Koh-i-Noor, der Berg des Lichts. Aber daß er so berühmt
und so wertvoll war, das hatte ich damals gerade erst erfahren."
Aber das Drama um den Koh-i-Noor war noch nicht
zu Ende. Als er als Geschenk für Königin Victoria nach
London gebracht, und ihr am 3. Juni 1850 überreicht wurde,
war dort die Enttäuschung über die plumpe Facettierung
und den trüben Glanz des Edelsteins groß. Im Jahre 1852
beschloß die königliche Familie, den Stein umschleifen
zu lassen, in der Hoffnung, er werde dann mehr inneres Feuer zeigen.
Die heikle Aufgabe wurde mit einer zeremoniellen
Sorgfalt in Angriff genommen, wie sie sonst der Geburt eines Thronfolgers
gilt. Beraten von den Hofjuwelieren, entschied Königin Victoria,
in welcher Form und welchem Stil der Stein nunmehr geschliffen werden
sollte. Eine Dampfmaschine mit vier Pferdestärken wurde montiert.
Prinz Albert legte den Koh-i-Noor in den Halter (die sogenannte
"Doppe") ein, in dem der Stein geschliffen werden sollte; der Herzog
von Wellington setzte die Dampfmaschine in Gang, und ein renommierter
Diamantschleifer aus Amsterdam, von dem nur der Nachname Voorsanger
bekannt ist, machte sich an die knifflige Aufgabe.
Voorsanger widmete der Arbeit an dem Stein 38
Zwölfstundentage, wobei er unter anderem das Gewicht des Steines
von 187 auf 108,93 Karat reduzierte. Aber als er fertig war, wollte
der Koh-i-Noor auch nicht heller strahlen als zuvor. Er wurde für
59 Jahre in eine Schatulle im Schloß Windsor verbannt, dann
in die Krone eingesetzt, die Königin Mary bei ihrer Krönung
im Jahre 1911 trug, und wurde schließlich in eine andere Krone
gefaßt. Elizabeth, die derzeitige Königinmutter, trägt
das Juwel gelegentlich bei zeremoniellen Anlässen als Brosche.
Trotz
all dieser Mißlichkeiten ist der Koh-i-Noor jedoch nach wie
vor einer der berühmtesten Edelsteine - ein Beleg dafür,
daß bei Juwelen eine stürmische Geschichte wichtiger
sein kann als äußere Vollkommenheit.
aus Der Planet
Erde - Edelsteine, Paul O'Neil, Time-Life Bücher, Amsterdam, 1984,
und aus Diamanten, Hermann Bank, Pinguin-Verlag, Innsbruck, 1992
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Der
Koh-i-Noor
[Berg des Lichts] (Nachbildung)
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